Der crossmediale Newsroom als Herzstück der Redaktion

Der Springer Verlag, der Privatsender ProSiebenSat1, selbst das Flaggschiff der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, die Tagesschau, tun es: Immer mehr etablierte Einrichtungen aus der Medien- und Corporate-Branche steigen um auf den crossmedialen Newsroom für ihre Redaktionen. Information und Meinungsbildung findet heute auf vielen Kanälen statt. Das von manchen schon fast totgesagte Fernsehen ist heute eine von vielen Quellen in einer variantenreichen Medienlandschaft. Auch Fans der Tagesschau informieren sich längst nicht mehr nur im abendlichen Quotenschlager, sondern schauen Stunden vorher ins Netz. Das Angebot dort ist in den letzten Jahren beständig gewachsen, doch nicht immer saßen Redakteur/innen von Angeboten fürs lineare Fernsehen und weitere Medienkanäle zusammen.

Warum die Branche mit Cross-Media-Konzepten neue Wege geht

Das Konzept crossmedialer Newsrooms bringt die verschiedenen Kanäle in immer mehr Medienhäusern zusammen. Damit das Publikum seine Nachrichten dort findet, wo es danach sucht – auf der Webseite, auf Instagram, im normalen Fernsehprogramm – , führen die Medienanstalten Internetseiten, die Redaktionen von klassischen Fernsehformaten, Social Media an zentralen Standorten zusammen.

Warum werden Redaktionen zu crossmedialen Teams zusammengeführt?

Der Online-Bereich ist auch in den öffentlich-rechtlichen Institutionen in den vergangenen Jahren rasant gewachsen. Der gesamten Entwicklung in der Medienproduktion tragen die Sender mit dem neuen News-Konzept Rechnung.

Journalistische Kompetenzen werden unter einem Dach zusammengefasst, damit unabhängig vom ausspielenden Kanal Nachrichtenprodukte von einheitlicher, gleichhoher Qualität entstehen. Innerhalb der Teams, die auch räumlich zusammenarbeiten, sind die Wege für den inspirierenden und motivierenden Austausch untereinander nun deutlich kürzer. Gleichzeitig bieten die zusammengefassten Redaktionen maximale Flexibilität, denn sie können mit Live-Studio sowie den direkt daneben angesiedelten Redaktionen jederzeit auf Veränderungen der Nachrichtenlage schnellstmöglich reagieren.
 
Nicht zuletzt bringt der Umbau zum crossmedialen News-Center den Einrichtungen die Möglichkeit, sich technisch auf das neueste Level zu heben. Umbau- und Neubau-Projekte wie das neue ARD-Nachrichtenhaus, der Axel-Springer-Neubau der Zeitung WELT oder der Medienhaus-Campus in Aachen setzen qualitative Maßstäbe in der Nachrichtenproduktion und Ausspielung.

Welche Vorteile bringt der medienübergreifende Newsroom für die Auftraggeber?

Kanäle übergreifendes Arbeiten, Teamwork über alle Redaktionen hinweg, das fördert vor allem die Effizienz aller Angebote. Im Nachrichtenjournalismus kommt es auf Qualität, aber in besonderem Maße auch auf Geschwindigkeit an. Das Publikum wartet nicht mehr auf die tägliche Dosis News aus aller Welt um Punkt 20 Uhr. Stattdessen laufen Nachrichten im Sekundentakt über die Internetseiten. Gerade in den „Breaking-News“-Situationen kommt es auf die schnelle und zuverlässige Informationsbeschaffung an. Miteinander verbundene Ausspielwege der Medienanstalten sorgen dafür, dass aktuelle Informationen auf dem jeweils schnellstmöglichen Weg bei den Usern ankommen, im Netz, auf Social Media, schließlich im linearen Fernsehen.

Wo Internet, Fernsehen, Printmedien und Radio zusammenwachsen, entstehen Synergien und neue Arbeitswege. Produktionsabläufe, die Technik, die Ansprüche an die redaktionelle Arbeit haben sich verändert. Als Reaktion darauf fassen die Medienanstalten ihre Arbeitsbereiche im crossmedialen Newsroom zusammen und passen sich damit den Bedingungen an, die die technologische Entwicklung für den Nachrichtenjournalismus vorgibt.

Neue Architektur für neue Wege: bauliche Besonderheiten

In altehrwürdigen Medien- und Fernsehhäusern wie etwa dem Filmhaus des WDR verändern sich nicht nur Arbeitsplätze und Medien. Wo die redaktionelle Programmbeobachtung mit Hilfe der Multiview-Set-Top-Box Panoo und ähnlichen Konzepten stattfinden soll, da ändert sich auch einiges im Umfeld. So stehen nicht selten Sanierungs- und Umbaumaßnahmen an, um die Architektur der vorhandenen Produktionsräume an die neuen Arbeitsbedingungen anzupassen. Neben einer Aktualisierung von Brandschutzauflagen trägt die Architektur aktuellen Entwicklungen mit weitläufigen, offenen Konzepten Rechnung. So werden aus kleinen, abgeschotteten Büros flexible Arbeitsflächen in weiten Räumen, die das nötige Teamwork aller Mitarbeitenden auch baulich betonen. Dabei wird, soweit möglich, die vorhandene Bausubstanz einbezogen und im Sinne ressourcenschonender Maßnahmen geplant. Energiesparen, Rohstoffe sorgsam einsetzen, auch das gehört zur aktuellen und künftigen Arbeitsweise, im Medienbereich genauso wie in der Bauplanung, die die neuen Newsrooms umsetzen soll. Gleichzeitig sind wirtschaftliche Aspekte maßgeblich, denn die crossmedialen Newsräume sollen nicht nur für Zeitersparnis bei gleichbleibender Qualität sorgen, sondern müssen sich auch wirtschaftlich rechnen.

Auf dem Weg zum crossmedialen Medienhaus: Beispiele aus der Medienlandschaft

Sie wachsen in Berlin oder Zürich, in Unterföhring oder Aachen heran: Die multimedialen Nachrichtenzentren der Medienanstalten setzen an den großen Medienstandorten neue Maßstäbe. Der Blick auf einige prominente Beispiele der letzten Zeit zeigt, wie bedeutsam der Umbau der News-Branche ist – und wie bahnbrechenden Entwicklungen auch mit den Mitteln moderner Architektur optisch umgesetzt werden können.

Newsroom der Tagesschau

Monitor-Ring bei der Tagesschau bespielt mit PanooWo einst die Redaktionen von Tagesschau, der Internetseite „tagesschau.de“ oder dem separaten Nachrichtenkanal „tagesschau24“ völlig getrennt voneinander ihre Inhalte konzipierten, weht nun ein neuer Wind. Der neue, gemeinsame Newsroom entstand im Hamburger Stadtteil Lokstedt, wo zur Eröffnung des Nachrichtenhauses eigens Bürgermeister Peter Tschentscher anreiste. Seit Herbst 2019 arbeitet die „Tagesschau-Familie“ auf rund 2000 Quadratmetern zusammen, um die gewohnt seriöse Qualität der Institution auf allen Kanälen auszuspielen. Der Neubau auf dem NDR-Campus ist baulich mit dem bisherigen ARD-aktuell-Haus verbunden, beide wurden vom Team der Braunschweiger struhkarchitekten entworfen. Auch die Vernetzung zwischen NDR und ARD-aktuell ist dichter geworden. Kurznachrichten, Berichte und Reportagen für den Norden, aus dem ganzen Land und der Welt gehen schneller und auf allen Kanälen in die Öffentlichkeit, dank der crossmedialen Konzepte und neuester Technik.  

Newsroom des ORF

Nicht nur in Deutschland, in der gesamten DACH-Region ist der Trend zum crossmedialen Newsroom zu beobachten. Beim österreichischen ORF entstand in einem Millionenprojekt der multimediale Newsroom in einem zukunftsträchtigen Bauprojekt am Wiener Küniglberg. Rund 350 Mitarbeitende nahmen dort im Sommer 2022 ihre Arbeit in den lichtdurchfluteten Räumen des neuen Gebäudes auf. Auf etwa 3200 Quadratmetern arbeiten nicht nur Redakteure und Redakteurinnen – das nachhaltige und hochmoderne Konzept schließt auch 14 Bienenvölker ein, die unweit des Hauses extra angesiedelt wurden. Am Küniglberg kommen TV, Radio und Online-Redaktionen auch räumlich zusammen, deren Arbeitsbereich sich schon lange zumindest digital überschnitten hatte. Neben dem 200-Quadratmeter-News-Studio bietet das Gebäude auf zwei Etagen zwei Journalstudios, Rückzugsräume und Besprechungszimmer, Regieplätze. Hier arbeiten künftig die Informationsteams von Ö1, Ö3, ORF On, FM4 und die Radio-Religion.

Die WELT aus dem Axel-Springer-Neubau

Axel Springer NeubauSchon lange bilden die Redaktionen von TV, Digital und Print im Medienkonzern WELT phasenweise ein Team. Dass sie dazu auch räumlich die Möglichkeit bekommen, dafür sorgte der Axel-Springer-Neubau in der Landeshauptstadt an der Spree. Im Herbst 2020 wurde der spektakuläre Kubus zwischen den bestehenden Verlagsgebäuden eröffnet. Mitten im Herzen des historischen Zeitungsviertels, dort, wo einst die deutsch-deutsche Grenze die Hauptstadt teilte, erhebt sich nun der Entwurf von Star-Architekt Rem Koolhaas. Auf 13 Geschossen verteilen sich rund 3500 multimediale Arbeitsplätze und etwa 10.000 Quadratmeter Fläche. Die schwarze Fassade mit schier endlosen Glasfassaden beeindruckt ebenso sehr wie der grüne Dachgarten, wo Weintrauben, Erdbeeren und Kräuter wachsen, während sich die Mitarbeitenden erholen oder sich in der Bar oder im Restaurant zur Mittagspause niederlassen. Von hier aus gehen die Nachrichten des Welt-TV-Kanals, der „Welt am Sonntag“ und der Tageszeitung „Welt“ hinaus. Chefredakteur Ulf Poschardt sah in der architektonischen Umsetzung des crossmedialen Konzeptes eine Stimme der liberalen Vernunft „an der Avantgarde-Stelle zum zukünftigen Arbeiten – digital, ästhetisch und intellektuell“.